So funktioniert der iPhone-Hype von Apple

Seit Steve Jobs auf der MacWorld-Veranstaltung im Jahr 2007 das erste iPhone veröffentlichte, hat Apple mehr als 20 verschiedene Smartphone-Modelle auf den Markt gebracht. Über 80 Prozent der US-Amerikaner besaßen im Januar 2019 ein Smartphone, und im selben Jahr gab es laut Apple-Geschäftsführer Tim Cook rund 900 Millionen aktive iPhones auf der Welt. Und als Apple am 13. Oktober 2020 das iPhone 12 vorstellte, bestellten geschätzte 2 Millionen Menschen das Gerät allein in den ersten 24 Stunden vor. Der iPhone-Hype ist also ungebrochen. Woran liegt das? Das klären wir in diesem Artikel auf.

Wir wollen immer das Neueste vom Neuesten

Jede neue Version des Apple iPhone hat neue Funktionen: So brachte das iPhone 4 im Jahr 2011 die erste auf den Benutzer gerichtete Selfie-Kamera mit, während das iPhone 5S im Jahr 2013 den Fingerabdruckscanner namens „Touch ID“ einführte. Das iPhone 12 von 2020 rühmt sich mit einem größeren Bildschirm, einer schnelleren Mobilfunk-Verbindung im 5G-Netz und fortschrittlicheren Kameras. Vor allem in der Pro-Version sind die neuesten Smartphones von Apple seit ein paar Jahren immer mit extra vielen Innovationen ausgestattet.

Aber selbst wenn das aktuelle iPhone vom letzten oder vorletzten Jahr ohne all die neuen Funktionen, Bauteile und Spielereien gut funktioniert, werden die Leute von diesen Verbesserungen in Qualität und Fähigkeiten angezogen. Denn niemand möchte gerne außen vor bleiben und vielleicht etwas dabei verpassen. Jedes neue Telefon und auch „Apple“ als Marke stehen für Innovation und Technologie von morgen, was die Verbraucher in der Regel sehr schätzen. Denn wir leben in einer Welt, in der das, was neu ist und was als nächstes kommt, als besonders wertvoll angesehen wird.

Das Telefon als Teil der persönlichen Identität

Im Jahr 2011 publizierte der Apple-Konkurrent Samsung einen Werbespot, in dem Menschen in einer Schlange vor einem Apple Store auf die Markteinführung eines neuen Smartphones warteten. „Wenn es gleich aussieht, wie sollen die Leute dann wissen, dass ich aufgerüstet habe?“, fragt ein Kunde in der Schlange (frei übersetzt). Das neueste und beste Telefon zu haben, ist also ein Statussymbol. Es ist etwas, das man die ganze Zeit bei sich trägt und das anderen Menschen Informationen über einen vermittelt. Hat man also das aktuellste iPhone, dann zeigt man, dass man modern, technikaffin und mit ausreichend Geld gesegnet ist.

So funktioniert der iPhone-Hype von Apple

Das mobile Telefon ist daher ein starker Mechanismus für etwas, was Selbstsignalisierung genannt wird. Das ist ein Konzept aus der Verhaltensökonomie, das damit zu tun hat, wie die Handlungen einer Person ihre Überzeugungen über sich selbst beeinflussen. In dem hier behandelten Fall kann der Besitz des neuesten iPhones das Selbstwertgefühl steigern und den Besitzer daran erinnern, dass er nicht veraltet ist. Jedes Mal, wenn er auf das Telefon schaut, sagt es ihm etwas darüber, wer er ist, und es stärkt bestimmte Aspekte der eigenen Identität. Apple verstärkt diesen Effekt durch Produktplatzierungen in den Filmen und Serien, die für Apple tv+ produziert werden.

Die künstliche Verknappung spielt eine Rolle

Wenn ein neues iPhone auf den Markt kommt, dann ist es in aller Regel üblich, dass sich schon Stunden vor Ladenöffnung Schlangen vor den Apple Stores bilden – zumindest, wenn nicht gerade eine globale Pandemie grassiert. Apple-Fans wollen die Ersten sein, die ein neues Gerät haben und benutzen. Auch um zu vermeiden, dass sie auf eine Lieferung, die vielleicht verzögert bei ihnen zuhause eintrifft, warten müssen. Selbst in 2020 gab es solche Fälle, aber meist nur dort, wo Läden öffnen konnten und es keinen umfangreicheren Lockdown mit Geschäftsschließungen gab.

Für Verbraucher signalisiert eine Schlange vor einem Geschäft, dass das, was sich darin befindet, wertvoll ist. Zudem kann es zeigen, dass die angebotenen Produkte nicht für alle reichen und man sich deshalb beeilen muss. Hier sind zwei verhaltensökonomische Konzepte im Spiel: Social Proof (die Überzeugung, dass andere Menschen das Produkt haben wollen) und Knappheit (die Angst, dass es nicht genug davon gibt). Bei älteren Menschen, die vielleicht Kriegs- oder zumindest Nachkriegserfahrungen haben, kann vor allem letzteres stark wirken. Aber selbst junge Leute, die keine solchen Erfahrungen haben, sind vom Kapitalismus schon genug auf den Neuheitswahn geprägt.

Eine gemeinsame Erfahrung von vielen

Apple ist sehr gut darin, die Verbraucher mit Keynote-Veranstaltungen, Werbespots und kurzen Werbebotschaften zu unterrichten, was sie mit ihrem neuen iPhone alles tun können. Zum Beispiel ermutigt Apple die Leute mit jeder neuen Version des Smartphones dazu, ihre mit dem iPhone geschossenen Fotos unter dem Hashtag #ShotOniPhone über Social Media zu teilen. Dadurch können sie tendenziell auch auf Apple-Plakaten und in Werbekampagnen erscheinen. Der direkte Effekt liegt aber darin, die Übersicht der Fotos unter dem genannten Hashtag auf Twitter, Instagram, Facebook und Co. zu füllen. Da immer wieder sehr gute Bilder dabei sind, machen die Leute ganz automatisch Werbung für das iPhone und seine Kamera-Technik.

Dies in Verbindung mit den weiteren Bemühungen Apples sowie der sozialen Sogwirkung, die durch die oben bereits erläuterten Effekte entsteht, sorgt für den iPhone-Hype. Apple hat es hervorragend geschafft, die soziale Erfahrung des Wartens auf das iPhone, die Vorfreude auf das iPhone und die Diskussion über das iPhone zu nutzen. Mit den Apple-Ankündigungen, den kurz vorher erst verlautbarten Release-Dates und den langen Warteschlangen ist es eine komplett andere Erfahrung als bei jedem anderen von Apples Wettbewerber. Neben dem Smartphone zieht sich das auch hin zu den iPad genannten Tablets, den Mac, iMac und MacBook genannten Computern sowie vielen anderen Produkten.

So funktioniert also der künstliche iPhone-Hype

Im Grunde ist es ein Massenphänomen, das über viele Jahre hinweg kultiviert und auf aktuelle Gegebenheiten angepasst wurde. Denn mit dem Erstarken des Internets und des Online-Handels in den 2010er Jahren wurden die langen Schlangen vor Apple Stores – wie etwa 2007 beim allerersten iPhone – so gut wie obsolet. Wo heute vielleicht nicht so viele Menschen vor den Läden warten und die Aufmerksamkeit von potenziellen Kunden auf sich ziehen, da posten sehr viele Leute in sozialen Netzwerken ihre Erfahrungen mit dem neuen Apple-Gerät und ziehen eben auf diese Art und Weise Menschen zum Unternehmen hin. Das ist Werbung, für die Apple kein Budget aufbringen muss. Clever!